17. Johann Sebastian und Anna Magdalena Bach – ein Arbeitspaar. Einschub: Die Wohnung der Familie Bach in Leipzig. Teil I
- Eberhard Spree

- 20. Sept.
- 4 Min. Lesezeit
In den bisherigen Beiträgen ging es vor allem um das Privat- und Arbeitsleben von Anna Magdalena Bach und ihrer Familie. Vieles davon spielte sich in ihrer Wohnung ab. Es dürfte deshalb hilfreich sein, eine Vorstellung von der Wohnsituation der Familie zu haben.
Über die Wohnung in Köthen, in die Anna Magdalena Bach 1721 nach ihrer Eheschließung einzog, ist nichts bekannt. Selbst über deren Standort können nur Mutmaßungen angestellt werden. In Leipzig wohnte der Cantor der Thomasschule mit seiner Familie traditionell in einer Dienstwohnung in der Thomasschule, die sich im südlichen Teil des Gebäudes befand. Die Thomasschule erfuhr 1731/32 einen großen Umbau. Dabei wurde das gesamte Dach entfernt, das Gebäude um anderthalb Geschosse erhöht und mit einem neuen Dachaufbau versehen. Für die Einweihungsfeier am 5. Juni 1732 komponierte Johann Sebastian Bach die Kantate „Froher Tag, verlangte Stunde“ (BWV Anh. 18), von der leider nur der Text erhalten ist. Die Musik ist verschollen. Über die Wohnsituation der Familie Bach ab 1732 geben Grundrisse der Schule Auskunft. Auf ihnen sind Maßstäbe mit der Einheit „Elle“ angegeben. Eine Leipziger Elle entsprach 0,57 Meter. (Alberti 1957, Seite 236) Damit lassen sich die Raumgrößen ausrechnen. Diese Grundrisse sind allerdings keine mit genauen Maßen versehene Baupläne. Sie dienten der Anschauung. Vergleiche der Maßstäbe auf den einzelnen Seiten ergeben Abweichungen um die 2 %. Somit können nur annähernde Werte ermittelt werden. Auf den folgenden Abbildungen sind die Ergebnisse auf ganze Zahlen gerundet. Die mit Maßangaben versehenen Räume, gehörten zur Wohnung der Familie Bach. Die Zuordnung ergibt sich aus der Begehbarkeit der Zimmer und Aktenhinweisen. Bei der Berechnung wurden auch die Fensternischen berücksichtigt, die zum Teil ungewöhnlich tief waren. An der Westseite des Erdgeschosses war die Außenmauer mehr als anderthalb Meter stark und im darüberliegenden Stockwerk immer noch etwas mehr als einen Meter dick. Diese Seite der Thomasschule befand sich im Bereich der Stadtmauer und war aus Verteidigungsgründen entsprechend angelegt worden.

Abbildung 1: Wohnung der Familie Bach in der Thomasschule 1732 – Erdgeschoss
(Zeichnung von George Werner, Stadtarchiv Leipzig, RRA [F] 294, 295, Ergänzungen: E. Spree [gilt für alle Abbildungen dieses Beitrags])
Die Eingangstür der Wohnung war auf der Ostseite, wo sich der Thomaskirchhof befand (auf der Abbildung unten). An der Außenmauer, rechts von dieser Tür, gab es einen Brunnen. (Siehe Abbildung im Beitrag „4. Gab es Gesinde im Haushalt der Familie Bach? Teil I“) Da im Haus keine Wasserzapfstelle nachgewiesen werden kann, dürfte er für die Versorgung des Hauswesens der Familie Bach von großer Wichtigkeit gewesen sein. Er wurde durch ein vor der Stadt liegendes „Röhrhaus“, in dem Pleißen- und Quellwasser gesammelt wurde, gespeist. Ein Röhrensystem verteilte das Wasser in der Stadt. (Leipzig 2006, Seiten 174 und 185) In einer Stadtbeschreibung von 1725 heißt es über die Qualität des Wassers: „Die Börner [Brunnen] dieser Stadt haben die gesundesten Quellen von den frischesten Wasser und ist fast keine Gasse anzutreffen, auf welcher man nicht einige Brunnen sehen sollte, die alle seit etlichen Jahren repariret worden“ (Iccander 1725, Seite 54) Auf der Abbildung 1 ist links unter „18 m2“ das Symbol für einen Ofen zu sehen. Dieser Raum war also beheizbar. Im Erdgeschoss befand sich im westlichen Bereich (auf der Abbildung oben) ein Lager- und Wirtschaftsraum, der auch für das Waschen der Wäsche genutzt wurde. In der Regel geschah das in der damaligen Zeit nur wenige Male im Jahr, erstreckte sich dann aber über mehrere Tage. (Dimpfel 1929, Seiten 83 ff.) In diesem Bereich befand sich auch die Toilette (Abort) der Wohnung. Vom Vorsaal (Flur) führte eine Treppe ins 1. Obergeschoss.

Abbildung 2: Wohnung der Familie Bach in der Thomasschule 1732 – 1. Obergeschoss
Im 1. Obergeschoss befand sich die Küche. Es ist deshalb anzunehmen, dass in einem der Räume dieser Etage Mahlzeiten eingenommen wurden. Neben der Küche waren hier zwei weitere Räume in der Wohnung der Famlie Bach beheizbar. In einem Nachschlagewerk von 1739 ist zu lesen: „Stuben-Ofen, so die Zimmer bey der Winter-Kälte erwärmen müssen, werden entweder von eisernen gegossenen Platten, oder von viereckigen inwendig holen Stücken Töpffer-Arbeit, so man Kacheln, und die Ofen daher Kachel-Ofen nennet, oder auch von beyden zugleich aufgesetzet“. (Amaranthes 1739, Spalte 1119) Für die Wohnung der Familie Bach gibt es eine Rechnung für einen neuen eiserner Ofen, der dort aufgestellt wurde. (Dok II, Seite 419) Das ist aber kein Beleg, dass sich in ihrer Wohnung nicht auch Kachelöfen befanden. Unbeheizbare Zimmer wurden häufig zum Schlafen genutzt. Vom Vorsaal führte eine Tür in Bereiche der Thomasschule, die für den Lehrbetrieb bestimmt waren, und eine Treppe in den Teil der Bachschen Wohnung, die sich im 2. Obergeschoss befand.

Abbildung 3: Wohnung der Familie Bach in der Thomasschule 1732 – 2. Obergeschoss
(Unten ist ein Maßstab zu erkennen, mit dessen Hilfe die Größen der einzelnen Räume der Wohnung errechnet werden konnten.)
Im 2. Obergeschoss hatte die Familie Bach zwei Zimmer. Das größere davon war beheizbar. Vom Vorsaal, über die sie erreicht wurden, und der zur Bachschen Wohnung gehörte, gab es auch hier eine Verbindung zu weiteren Räumlichkeiten der Thomasschule. Auf der Abbildung ist rechts im Vorsaal der Austritt der Treppe aus der darunterliegenden Etage zu sehen. Links davon befand sich die Treppe, die ins 3. Obergeschoss führte.

Abbildung 3: Wohnung der Familie Bach in der Thomasschule 1732 – 3. Obergeschoss
Auch vom Vorsaal des 3. Obergeschosses gab es eine Verbindung zu Räumen der Thomasschule, die nicht zur Wohnung der Familie Bach gehörten. Sie bewohnte auf dieser Etage ein großes beheizbares Zimmer.
In der Bauplanung ist zu lesen: In den „untern Theils des Mansarden Taches werden Boden-Kammern vor die Schule des Rectoris und Cantoris Wohnung gebracht, der obere Boden aber bleibet die Wäsche zu trucknen oder zu ander Beqvehmlichkeiten durchgehends ohne Unterschied frey.“ (GTK-Dok, Seite 186) Die zur Wohnung der Familie Bach gehörende Dachkammer wird über die Treppe zu erreichen gewesen sein, die sich auf der Abbildung links im Vorsaal befindet.
Nach diesen Angaben war die Wohnung der Familie Bach über 200 m2 groß. Sie bestand aus acht Zimmern, einer Küche, einem Wirtschaftsraum, einer Bodenkammer und einem Abbort. In einer Beschreibung der Thomasschule, die viele Jahre später entstand, ist der beheizbare Raum im Erdgeschoss (siehe Abbildung 1) unterteilt. (Richter 1904, Seiten 37 und 50) Es war also möglich, in der gesamten Wohnung durch Zwischenwände oder ihre Entfernung die Anzahl der Räume den Bedüfnissen der Bewohner anzupassen. Es ist nicht auszuschließen, dass so etwas auch durch die Familie Bach veranlasst wurde.
Die Nutzung der einzelnen Räume dürfte nicht immer in der gleichen Weise erfolgt sein. Es gab viele Veränderungen in der Familienzusammensetzung, auf die mit Sicherheit mit Änderungen bei der Nutzung der Zimmer reagiert wurde. Darauf und auf die Wohnverhältnisse vor 1732 soll im nächsten Beitrag eingegangen werden.
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